Für Satelliten und EME:
Antennenvorverstärker
in SSB-/CW-Empfangsanlagen

Die Verwendung von Vorverstärkern direkt an der Antenne
ist eine bewährte Methode zum Ausgleich der Kabelverluste.
Dabei gilt es aber, die Pegelverhältnisse sorgsam im Auge zu behalten,
sonst kommt es zu Übersteuerungen. Nur zu schnell sind Pegel erreicht,
die der nachfolgende Empfänger nicht mehr sauber verarbeiten kann.

Gegenüber terrestrischem Funkbetrieb, bei dem das Erdrauschen die Empfangsleistung begrenzt, kann man über ca. 15° Elevation in Richtung zum kalten Himmel bis zu 3,5 dB mehr ausnutzen. Bei kleinen Antennen und bei EME-Betrieb ist dies zwingend erforderlich, wenn man bedenkt, daß für CW-Verständlichkeit ein Signal von 4 dB über dem Rauschen bereits ausreicht. Nachfolgend werden Meßergebnisse für 23 cm ausgewertet. Ähnliches Verhalten ergibt sich für die Bänder 70 cm bis 3 cm.

Auf 2 m gelten wegen allgemein geringerer Kabeldämpfung sowie des höheren Grundrauschens von ca.2 dB andere Bedingungen. Dabei sollte man ohnehin nur einstufige Vorverstärker verwenden!
Für 23 cm gibt es inzwischen Vorverstärker, Bausätze und Baubeschreibungen mit rauscharmen HEMT-Transistoren, die nur ein Rauschmaß von 0,3 dB aufweisen. Verwendet man am Eingang ein erforderliches Koaxrelais mit gutem SWR und geringer Durchgangsdämpfung (z.B. SMA-Version), werden dann etwa 0,4 dB NF erreicht. Beim Nachmessen der einzelnen Komponenten bestätigen sich die hervorragenden Daten. Somit läßt sich leicht das tatsächliche Gesamtrauschen des Empfangssystems errechnen. Voraussetzung ist, daß der Vorverstärker mit dem Relais direkt am Feed montiert wird.

Für die aufgeführten Berechnungen wird als Kabeldämpfung 6 dB zwischen Antenne und Empfänger (TS-790E) angenommen. Das Eingangsrauschen des Gerätes auf 23 cm lag bei 3,05 dB. Am Ausgang des Vorverstärkers ist dann F2 = 9,05 dB (Bild 1).

Normalanwendng

Bild 1: Die Normalanwendung reicht für den praktischen Funkbetrieb aus.

Nach der Rauschsummenformel ergibt sich damit am Verstärkereingang der ATF10136-Version [1] aus VP1 = 14 dB und F1 = 0,5 dB ein Gesamtrauschen (alle Einheiten in dB) von:

Rauschsummenformel

Dem so ermittelten Rauschmaß von F = 1,47 dB ist noch die Dämpfung des Koaxrelais von 0,1 dB hinzuzuaddieren, da ein passiver Vierpol bekanntlich so in eine Übertragungskette eingeht, als würde er mit seiner Dämpfung rauschen.
Das Ergebnis mit Fges = 1,57 dB ist für "Erd"-Verbindungen ausreichend, da bereits das Grundrauschen bei ca. 1,6 dB liegt und nicht unterboten werden muß [3].

Für Satelliten- und EME-Betrieb ist dies jedoch mehr als mangelhaft, zumal gegenüber dem kalten Himmel (meist unter 36 K) die erwähnten 3,5 dB Empfangsleistung verlorengehen. Nun liegt es nahe, einen weiteren Vorverstärker zu kaskadieren. Ideal wäre u.a. die neue HEMT-Ausführung mit FHX35 [2]. DerVerstärker macht VP = 16 dB und rauscht nur
mit F1 = 0,3 dB bzw. mit Relais 0,4 dB. F2 des Folgeverstärkers beträgt nunmehr ohne Relais 1,47 dB.

Am Feed ergeben sich damit rechnerisch stolze Fges = 0,44 dB (Bild 2). Die resultierende Verstärkung Antenne/RX wird mit 16 dB +14 dB = 30 dB, abzüglich 6 dB, also 24 dB wirksam. Die Frage stellt sich nun nach dem praktischen Erfolg. Auf dem S-Meter war jetzt erstmalig ein Zeigerausschlag durch das Grundrauschen vorhanden. Außerdem ließ sich das Sonnenrauschen mit Dämpfungsgliedern einmessen. Entsprechend verursachten auch schwache Signale einen Ausschlag. Dabei war die Verständlichkeit jedoch schlecht. Das Rauschen wurde als unangenehm rauh empfunden. Es gab nur die Möglichkeit, das Gesamtsystem auf dem Meßplatz zu simulieren, um ungerechtfertigte subjektive Einschätzungen zu vermeiden.

EME-Anwendung

Bild 2: Es sollten sich theoretisch 0,44 dB ergeben, es sind praktisch jedoch 1,8 dB.

Dem Verfasser stand ein automatischer Meßplatz zur Verfügung, der mit Niederfrequenz-Rauschauswertung arbeitet. Nur so konnte das gesamte Empfangssystem mit einer korrekten Messung beurteilt werden.

Empfänger übersteuert...

Es stellte sich tatsächlich heraus, daß der Empfänger die angebotenen 24 dB Vorverstärkung nicht verarbeiten konnte. Zur Vermeidung einer Fehlmessung wurde die AGC wechselweise ein- und ausgeschaltet. Einzelkomponentenmessungen, wie häufig durchgeführt, können das Problem nur lösen, wenn die spätere Konfiguration und die Parameter aller Geräte bekannt sind. Im vorliegenden Fall ergab der umgerechnete Wert für Fges = 1,8 dB. Damit war die Kaskadierung schlechter als die einstufige Version! In einer aufwendigen Testreihe wurde die Durchgangsverstärkung der Vorstufeneinheit in Schritten verändert, neu gemessen und wieder im Gesamtsystem aktiviert. Dabei ergab sich für den verwendeten RX (TRX) bei 500 Hz Bandbreite ein Schnittpunkt von 18 dB für die Gesamtverstärkung (Bild 3).

TS790E

Bild 3: Die Kurve C zeigt das theoretische, in der Praxis nicht erreichbare Ergebnis

Bei 6 dB Kabelverlusten dürfte der Vorverstärker also VP=24 dB haben. Damit ist im Maximum aber nur ein Fges von 0,82 dB möglich. Wie ist dieses Verhalten zu erklären?

Zu vermuten ist, daß die RX-Signale durch Nichtlinearität oder/und Begrenzung in den Mischern, den letzten High-Pegel-ZF-Stufen und dem Produktdetektor komprimiert werden. Dies bestätigt auch eine parallel durchgeführte S+N/N-Messung. Dagegen dürften bei FM-Betrieb keine Auswirkungen spürbar sein. Interessierte, die keine Gesamtrauschmessung durchführen können, haben zur Ermittlung des Maximums auch die Möglichkeit, mit einem Meßsender oder dessen Oberwelle eine relative S+N/N-Messung vorzunehmen.

Ein verbreitetes Leiden

Da immer wieder verblüffend unterschiedliche Rapporte verteilt werden, muß man davon ausgehen, daß viele Nutzer unter diesem Effekt leiden, ohne es zu wissen oder auch nur zu ahnen. Welche Abhilfe ist möglich? Das verwendete Gerät kann natürlich weiterhin für den Sendebetrieb genutzt werden. Für den Empfang sollte man die Großsignalfestigkeit eines KW-RX (TRX) nutzen und einen 1296/28-MHZ-Konverter verwenden. Dies ist insofern unproblematisch, da RX- und TX-Frequenzen durch den Dopplereffekt ohnehin nicht deckungsgleich sind.

Es standen nur einige KW-Testgeräte zur Verfügung. Trotzdem ergaben sich sogar hierbei gravierende Unterschiede, wobei ein Rückschluß vom Preis auf die Qualität nicht immer gegeben war. Der Verfasser ist gern bereit, ihm zur Verfügung gestellte Geräte zu messen.

Allgemein war das Verhalten dieser Gerätekonfiguration (d.h. mit Vorschalt-Konverter) jedoch um eine Dekade besser. Für den Vorschalt-Konverter ist zu beachten, daß die Durchgangsverstärkung nur einige dB (4 ... 7) betragen darf. Weiterhin ist eine Doppelmischung erforderlich, damit das Seitenbandrauschen mit bis zu 3 dB keine Verschlechterung bringt. Der Verfasser plant die Entwicklung eines speziell zugeschnittenen Konverters. Von den bisher gemessenen KW-Geräten mit einem 500-Hz-CW-Filter kamen vorerst folgende Typen als Nachsetzer in die engere Wahl: TS-140S und TS-680S (interne Vorstufe abgeschaltet) bei einem Eingangsrauschen von 9,4 dB. Dabei lag die Vorverstärkung für die optimale Signalausnutzung bei 31 dB (Bild 4).

TS140S

Bild 4: Verstärkung Feed/RX (mit 23-cm-Konverter). Die Kurve C zeigt wieder das theoretische, in der Praxis nicht erreichbare Ergebnis auf 23 cm

Da die Schnittpunktlinien etwas flacher verlaufen, kann die Gesamtverstärkung mit leichten Einbußen zwischen 26 und 35 dB verlaufen. Bei 31 dB wird ein Fges von 0,46 dB erreicht. Die 31 dB ergeben sich aus zweistufiger Vorverstärkung 32 dB minus Kabel 6 dB zuzüglich Konverter VP=5 dB. Beim Meßaufbau mit einem 50-Ohm-Abschluß (Zimmertemperatur) zeigen die S-Meter das Rauschen mit ca. 5 ... 15 % vom Endausschlag an. Beim Anschluß der zum kalten Himmel gericheten Antenne geht die Anzeige wieder gegen 0.

Sonnenrauschmessung mit Millivoltmeter

Wegen dieser Tatsache darf der Betrag der Gesamtverstärkung gegenüber der Raumtemperatur-Messung um 3,5 dB angehoben werden, um die Übersteuerungsgrenze einzuhalten.
Eine Sonnenrauschmessung sollte mit einem NF-Millivoltmeter an einem entsprechenden Ausgang ausgeführt werden. Ansonsten ließen sich die S-Meter nur für relative Betrachtungen und grobe Vergleiche nutzen, da vielfach die Anzeige der ersten 2...4 S-Stufen ganz unterblieb. Nun wünsche ich allen Sky-DXern viel Erfolg beim Test und der Verbesserung ihrer Anlagen.

 

Literatur

[1] Bertelsmeier, R., DJ9BV: Low Noise Preamp for 1.3 GHz. Dubus 4/1991, S. 37-50

[2] Bertelsmeier, R., DJ9BV: HEMT LNAs for 23 cm. Dubus 4/1993, S. 47-60

[3] Reckemeyer, H.F., DJ9YW: Das Rauschen zur Jahrtausendwende.
    
FUNKAMATEUR 1/2001, S. 63-65

[4] Redaktion CQ DL: Hinweis zum Grundlagenartikel CQ DL 11/98 S. 861.
    
CQ DL 4/1999, S. 287

[5] Hegewald, W., DL2RD: Außer Rauschen nichts zu lauschen?
    
FUNKAMATEUR 1/2001, S. 72-73

[6] Agilent Technologies: AppCad, your Personal Design Assistent for RF,
    microwave and wireless applications.
www.hp.woodshot.com
    Das Programm ist auch auf der CD zum unter [7] genannten Buch zu finden.

[7] Kleinsorge, M., DJ5QX: AppCAD V3.0 - der kleine Helfer für alle Fälle?
    
FUNKAMATEUR 3/2003, S. 220-243 und
     Kleinsorge, M., DJ5QX; Hegewald. W, DL2RD: AppCAD V3.0.2 - der kleine Helfer für alle
     Fälle? In: Hegwald, W. DL2RD (Hrsg.) Software für Funkamateure (2): Box 73
     Amateurfukservice GmbH, Berlin 2006, FUNKAMATEUR-Leserservice, FA
X-9346

 

Nachbemerkungen
(verfasst von Dr.-Ing. Werner Hegewald,
DL2RD)

1.) Rauschfaktor und Rauschmaß

Die oben genante Rauschsumenformel kommt Ihnen vielleicht etwas ungewöhnlich vor. Normalerweise lautet die Rauschsummenformel

Fges = F1 + (F2 - 1) / VP1 .

Darin sind grundsätzlich Absolutwerte für F (dann Rauschfaktor genannt) und VP (Verstärkungsfaktor) einzusetzen, d.h., es muß jeweils eine Rückrechnung von Dezibel in Zahlenwerte erfolgen, wobei die Dezibel zunächst in Bel umzuwandeln sind (Division durch 10) und anschließend als Exponent der Zahl 10 erscheinen:

F = 10 ( F / 10 )  und VP = 10 ( VP / 10 )

(Die im Exponenten erscheinenden Werte für F und VP sind in dB einzusetzen!!!)

Letztlich führt die Umrechnung des Gesamtrauschfaktors gemäß

Fges /dB = 10 lg Fges

zum Gesamtrauschmaß in dB. Die o.g. Formel faßt diese drei Rechengänge zusammen.

In der Literatur werden diesbezügliche Begriffe keineswegs einheitlich behandelt; ich habe mich hier der heute üblichen Auffassung [4] angeschlossen, die seit 4/99 auch in den Testberichten der CQ DL durchgängig Anwendung findet und konsequent den irreführenden Begriff der Rauschzahl vermeidet, vgl.a. [5].
 

2.) PC-Programm AppCad

Die hier umständlich anmutenden Berechnungen mit der Rauschsummenformel können übrigens mit der hervorragenden Windows-Freeware AppCAD [6] von Agilent (vormals Hewlett Packard) spielend nachvollzogen werden (downloaden, installieren, starten --> Signals-Systems --> NoiseCalc), siehe auch [7]. Beispiele für die Schaltungen nach Bild 1 und Bild 2 habe ich hier noch der Vollständigkeit halber angefügt.

AppCad-Beispiel zu Bild 1
AppCad-Beispiel zu Bild 2